23. April 2021

Wie man ESG-Risiken in den Griff bekommt

Der Klimawandel ist das wohl größte Problem der uns nachfolgenden Generationen. Wie gehen institutionelle Investoren am besten damit um? Eine Möglichkeit bietet der ESG-Scoring-Ansatz: Er ermöglicht Vergleiche zwischen Asset-Managern sowie ein systematisches Benchmarking und Reporting für laufendes Monitoring.

Unsere Welt muss nachhaltiger werden – und die Finanzbranche soll einen wesentlichen Teil dazu beitragen. Der ESG-Regulatorik kommt daher eine entscheidende Bedeutung zu: Neben klimabezogenem Investieren berücksichtigt ESG (Environment, Social, Governance) auch soziale Aspekte sowie die Unternehmensführung. Deshalb ist es wichtig, dass Asset Manager ESG als Nachhaltigkeitsrisiko und Teil des Marktrisikos verstehen. Von entscheidender Bedeutung ist daher die Frage: Welche Auswirkungen kann ein ESG-relevantes Ereignis auf den Marktwert eines Assets haben?

Regulatorisch sind ESG-Risiken explizit im Investmentprozess zu integrieren und vollziehen sich auf drei Wirkungsdimensionen:

Auf Asset-Ebene ist die Wahl der Zielgesellschaften entscheidend: Das ESG-Risikomanagement kann anhand von Positiv- und Ausschlusskriterien (White-/Black-Lists), qualitativen Limits (bspw. Carbon-Footprint) oder ESG-Due-Diligence-Verfahren (bspw. ROSE-Ansatz bei VC Investment) erfolgen.

Auf Portfolio-Ebene sind KPIs (Key-Performance-Indicators), Stresstests oder Szenarien im Rahmen des ESG-Fonds-Due-Diligence entscheidend. Ergänzend kommt das ESG-Rating hinzu.

Ein ESG-Manager-Rating schließt die ESG-Integration (ESG-Policies), determinierte Zuständigkeiten (ESG-Committee) und Teilnahme an ESG-Initiativen (UNPRI) ein. Im Gegensatz zum ESG-Fondsrisiko ist das ESG-Managerrisiko prozessual und qualitativ zu bewerten.

Standardisierung des ESG-Scorings als Grundlage

Bisher wiesen ESG-Fund-Ratings vor allem zwei Mankos auf: Zum einen sind die Ratings von einzelnen Asset Managern oft nicht enthalten, zum anderen sind die Verfahren auf Asset-Owner-Ebene meist nicht standardisiert. Zudem werden bei alternativen Assets selbst entworfene ESG-DDQs (Due Diligence Questionaries) verwendet. Eine Standardisierung von ESG-Manager-Scorings würde es ermöglichen, Vermögensverwalter einheitlich zu vergleichen und ein laufendes Monitoring gewährleisten zu können.

Ansätze sind vorhanden – reichen aber nicht aus

Ein standardisiertes ESG-Scoring sollte bei der ESG-Manager-Due-Diligence folgende drei Beurteilungsbereiche umfassen, die ein Dachfonds-Manager beantwortet:

Organisation

  • Verfügt die die Organisation über ESG-Richtlinien?
  • Welche internationalen ESG-Standards werden befolgt?
  • Wie beeinflussen ESG-Faktoren die Organisation?  

Pre-/Post-Investment Due Diligence

  • Welche ESG-Risiken werden bei der Auswahl der Fondsmanager berücksichtigt?
  • Wie werden ESG-Risiken vor dem Investment identifiziert?
  • Wie erfolgt die laufende Überwachung von ESG-bezogenen Risiken und Chancen?
  • Wie wird sichergestellt, dass ein Zielfonds konsequent mit vereinbarten ESG-bezogenen Richtlinien arbeitet?

ESG Track Record

  • Welche Erfahrungen sind bei der ESG-konformen Überwachung von Fondsmanagern vorhanden?
  • Was sind die Ergebnisse von ESG-konformen Fondsmanagern?

Zwar gibt es in der Praxis bereits Ansätze (bspw. InvestEuropa, BAI), die allerdings keine systematische Beurteilung der ESG-Risiken enthalten. Der aufgeführte Fragebogen könnte einen Beitrag zur Standardisierung des ESG-Scorings leisten. Grundlage der zu validierenden Inputs sind in der Regel DDQs.

Dimensionen eines praxisgerechten Scorings

Die Praxistauglichkeit eines ESG-Manager-Scorings steht im Vordergrund und sollte daher durch die verwendete Methodik validiert sein. Die genannten Beurteilungsbereiche stehen im Kern der Erfassung und Analyse. Folgende Fragen sollten von einem Multi-Managerfonds für das ESG-Scoring von Zielfonds beantwortet werden:

Input

  • Gibt es dieselben Informationen von allen Zielfondsmanagern?
  • Erhalten verschiedene Manager unterschiedliche DDQ?
  • Werden externe ESG-Ratings berücksichtigt?

Berechnungen/Updates

  • Wie sollen Inputs ausgewertet werden?
  • Wie erfolgt die Aggregation?
  • Kann ein Benchmarking erfolgen?
  • In welcher Frequenz erfolgen Updates?

Aggregationsmethode

  • Ist die Aggregationsmethode plausibel? Existiert eine ungerechtfertigte Kompensation (z.B. guter ESG-Score nur aufgrund von sehr guten E-Werten)?
  • Erfolgt eine Gewichtung? Ist ein Scoring nach Weak-Link sinnvoll, wobei das schwächste Glied den Gesamt-Score definiert?

Beurteilungsmethode/-output

  • Sind die Scores plausibel?
  • Für welche Empfängerzwecke ist der Output zielführend?
  • Welche Investitionsentscheidungen können auf Basis von ausgewerteten DDQ erfolgen?

Insbesondere bei Multi-Managerfonds sind in Bezug auf die Validierung primär Daten von zentraler Bedeutung:

  • Welche Durchschauebene wird betrachtet (Zielfonds vs. Asset)?
  • Ist der Datenstand stichtagsaktuell oder werden Vorwerte verwendet?
  • Wird NAV oder eine Hochrechnung verwendet?
  • Wird eine Datenbank auf Basis von Capital Statements oder regulatorischer Berichte (z.B. TPT) der Zielfonds verwendet?
  • Was sind Berichtsfristen: t+90 Kalendertage vs. t +15 Arbeitstage?

Die Qualität und Verfügbarkeit von Inputdaten ist für eine Standardisierung eines ESG-Scorings essentiell. Inputs müssen zur Sicherung der Datenqualität validiert sein und zwischen Ziel- und Multi-Managerfonds abgestimmt werden.

Besondere Herausforderung bei Datenqualität und -verfügbarkeit

Voraussetzung für ein standardisiertes ESG-Scoring ist die Qualität und Verfügbarkeit von entsprechenden Daten. Allerdings liegt genau hier bei alternativen Assets eine besondere Herausforderung: Es existieren wenige spezialisierte ESG-Datenprovider am Markt – auch, weil die Datenerhebung sehr komplex und das Screening anspruchsvoll ist.

Zudem muss eine Gleichgewichtung der drei Faktoren Environment, Social und Governance erfolgen. Das heißt, dass ein schlechtes E-Scoring nicht von einem überdurchschnittlich guten G-Scoring kompensiert werden kann. Basis hierfür ist eine qualitative Analyse. Zudem muss ein ESG-Scoring-Modell möglichst einfach und robust sein, um Over-Engineering zu vermeiden.

Für diesen Ansatz muss das Modell mit DDQs und den Fragen aus den oben genannten Beurteilungsbereichen sowie weiterer Hintergrundinformationen unterfüttert werden. Im nächsten Schritt werden die Informationen durch den Masterfonds-Manager validiert und auf Basis einer Risikoskala bewertet. Die Aggregation vollzieht sich anhand der Weak-Link-Methode auf den Ebenen E, S und G – das schwächste Glied begrenzt den Gesamt-Score. Durch diese Methode erhält der Masterfonds ein standardisiertes ESG-Scoring, das die Grundlage für Vorschläge und Diskussionen zur Reduktion des ESG-Risikos darstellt.

Für diesen Ansatz muss das Modell mit DDQs und den Fragen aus den oben genannten Beurteilungsbereichen sowie weiterer Hintergrundinformationen unterfüttert werden. Im nächsten Schritt werden die Informationen durch den Masterfonds-Manager validiert und auf Basis einer Risikoskala bewertet. Die Aggregation vollzieht sich anhand der Weak-Link-Methode auf den Ebenen E, S und G – das schwächste Glied begrenzt den Gesamt-Score.

Durch diese Methode erhält der Masterfonds ein standardisiertes ESG-Scoring, das die Grundlage für Vorschläge und Diskussionen zur Reduktion des ESG-Risikos darstellt.

Autoren:

Mirco Himmel
Direktor
M.M.Warburg & CO

Christian Storck, MBA, LL.M., LL.M.
Abteilungsdirektor
M.M.Warburg & CO

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