Konjunktur & Strategie
8. April 2022

Die Zinswende kommt: Mit Macht in den USA und im Schneckentempo in der Eurozone

Als die Corona-Pandemie vor zwei Jahren die Weltwirtschaft erschütterte, haben die Notenbanken in den Industrie- und Schwellenländern nicht lange gefackelt: Weltweit wurden die Leitzinsen gesenkt, um die Wirtschaft zu stabilisieren. Aufgrund der expansiven Wirtschaftspolitik (nicht nur die Geldpolitik, auch die Fiskalpolitik hat seit 2020 Vollgas gegeben) hat sich die Weltwirtschaft sehr schnell vom Corona-Schock erholt. Gleichzeitig ist aber auch die Inflation in vielen Ländern sehr stark angestiegen. Bisher gingen die meisten Volkswirte und Notenbanken davon aus, dass sich der Inflationsschub als temporäres Phänomen erweisen und es nicht lange dauern würde, bis die Inflationsrate wieder in Richtung zwei Prozent sinkt. Aber vielleicht begeht man einen Denkfehler und die Inflation wird auch dauerhaft höher ausfallen als in der Vergangenheit?

Das veränderte Inflationsumfeld wird viele Zentralbanken dazu veranlassen, ihre Geldpolitik anzupassen und bei den Zinsen umzusteuern. In den Schwellenländern ist dieser Prozess schon seit letztem Jahr in vollem Gange. Vor allem in Lateinamerika und in Osteuropa sind die Zinsen kräftig gestiegen, weniger dagegen in Asien. Dies sind keine guten Voraussetzungen für das Wirtschaftswachstum der Schwellenländer, und wir befürchten, dass die Geldpolitik im nächsten Jahr in vielen Ländern zu einer Rezession führen wird. 

In den Industrieländern ist die Geldpolitik dagegen bislang immer noch sehr expansiv. Die US-Notenbank hat jedoch bereits die Zinswende eingeläutet und deutlich gemacht, dass der Leitzins in diesem Jahr kräftig angehoben wird. Die große Frage wird sein, ob es der US-Notenbank mit ihrer Zinspolitik gelingen wird, eine „sanfte Landung“ der Wirtschaft zu bewirken. Die Rahmenbedingungen hierfür haben sich mit dem barbarischen russischen Angriff auf die Ukraine verschlechtert, da dieser einen stagflationären Angebotsschock mit höheren Inflations- und geringeren Wachstumsraten ausgelöst hat. Somit könnte die Notenbank gezwungen sein, die Zinsen stärker zu erhöhen als derzeit erwartet wird, um die Inflationsrate wieder unter Kontrolle zu bringen – und dies bei gleichzeitig schlechteren Wachstumsaussichten. Für die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank gelten dieselben Rahmenbedingungen wie in den USA, allerdings sind die zu erwartenden negativen wirtschaftlichen Auswirkungen des Russland-Ukraine-Krieges größer als in den USA. Dies ist ein Grund für das Zögern der EZB, die sich im Schneckentempo auf eine Zinserhöhung zubewegt. Die Beendigung der Anleihekaufprogramme, die eine notwendige Voraussetzung für eine Zinserhöhung ist, wird erst im 3. Quartal abgeschlossen sein, erst danach könnte es – wohl in Q4 – zu einer sporadischen Zinserhöhung kommen.